Prosa

Mittwoch, 25. Januar 2006

Mein allererster Text

Hallo Ihr Lieben,

beim Stöbern im PC fand ich in einem unbenutzten Ordner diesen alten Text wieder. Es war der erste, den ich schrieb. Ungefähr vier Jahre ist er alt und (abgesehen von Lyrik) der erste Text, in der ich versuchte, etwas Nicht-Ausdrückbares auszudrücken:

Wer mag es mir verwehren, die Unverschämtheit zu besitzen, alles zu sein? Wer mag die Ausdehnung meiner inneren Landschaft verhindern in ein Alles-was-ist?
Ein Wort könnte ich sein – bestehend aus einzelnen Buchstaben, herausgeboren aus einem langen Schweigen, könnte sichtbar werden und ausfließen mit Atem, als atmete man Samt aus – mit jeder Silbe fordernd, dass jemand vermag, es auszusprechen – vielleicht um eine Wahrheit zu benennen oder ein Flüstern zu sein am Ohr der Liebsten und das lang Ersehnte vor ihr auszubreiten wie Mondschein auf dem Weg zu ihren Füßen, berührt von ihrem Nachtschatten.
Oder vielleicht auch ein Schweigen, bis zum Rande gefüllt von Eigenem? Wie viel Kraft braucht es, um sich dann zu ertragen in dieser Fülle und Einsamkeit, die sich voll und still um Einen hüllt und sich wie Schnee lautlos und mit bescheidener Gebärde niederlässt auf den Feldern im November?
Manchmal will ich Wind sein, mich ansammeln mit den Düften der Weite, bis ich vibriere, zu zerspringen drohe und mich als Naturgewalt über die Ebene atme in kraftvoller Geschmeidigkeit. Ein Biegen meines nackten Rückens würde einen Taifun gebären, das Spiel der Muskeln – stromlinienförmig den Winden angepasst – bewegte Welten und verschöbe Wolken, so wie ein Kind sein Spielzeug bewegt. Und dann, wenn die Müdigkeit mich einholt, am Ende eines Tages, möchte ich weiches Hügelgras streicheln – zärtlich, wie ein Liebender und Blütenkelche in unendlicher Sanftheit halten und ihre Schönheit besingen. Ja, es bestünde sogar die Gefahr, zu glauben, man wäre aus dem Eigentum der Welt entlassen und sie und der Tag wären Einem zu eigen. Wäre das nicht wahrhaft vermessen?
Vielleicht wäre ich auch gern ein Geräusch – das eines Schwertes etwa, welches unmessbar langsam aus seiner Scheide gezogen wird – metallisches Reiben – Stahl an Stahl – und könnte Zeuge sein für jede eingegrabene Scharte, für jede Erhebung auf stählerner Haut. Ob man wohl um die Folgen einer solchen Bewegung wüsste? Ob man die nachfolgenden Tode erahnen würde und die nachfolgenden Siege, die niemals ganz gesiegt sein können?
Wer mag die Freude beschreiben, die Einen ereilt, wenn man sich dafür entscheidet, wieder ein Kind zu sein – wenn man will in einer Kindheit, wie sie hätte sein sollen? Wer stellt sich diese Augenblicke vor: Die Begeisterung aus Kindertagen, mit der man eine Schüssel an die Lippen setzt, um sie – gierig nach Leben – gierig nach allem – bis zur Neige zu leeren und zu leben, nur für diesen Augenblick? Schlucken – schmecken – nichts mehr!
Oder eine verloren gegangene Eitelkeit, wissend darum, dass man nur aus einem Grund allein gelebt hat: Weil ein Mensch geliebt sein wollte.
Manchmal wäre ich gern ein Stück Brot in den Händen von Einem, der lange nichts aß. Man stelle sich die Kostbarkeit und die Andacht vor, mit der man berührt und an einem gerochen wird und wie sehr man dazu gemacht ist, zu dienen!
Wer denkt sich das Erstaunen, das Einen ergreift, wenn man beschließt, eine flüchtige Müdigkeit zu sein oder auch eine große Erschöpfung. Wie, wenn es selbst für sie einen Ort gäbe, um sich abzulegen in einem Größeren und man dort hinein gleiten könnte, so als gehöre man schon immer dort hin? Und wer begreift, wie alt dieser Wunsch ist, wenn man ermessen kann, wie sehr man dort willkommen ist? Wenn man als Erschöpfung vor lauter Größe so klein ist, und vom Kleinen das Kleinste?
Oder wie wäre es, eine Freiheit zu sein? Ich meine keine von den kleinen Freiheiten, die gemeinhin also solche bezeichnet werden, sondern eine, deren aufgespannte Flügel man kaum abschreiten kann und deren Erhabenheit aus der Bescheidenheit lebt. Man käme über jemanden – vielleicht über Nacht und völlig ohne Vorankündigung – und fände ein Gesicht in Tränen aufgelöst über das tiefe Verstehen und hinterließe Spuren aus Sonne in ihm.
Manchmal wäre ich vielleicht auch gern ein dunkles Zimmer mit geöffneten Fenstern und einem Rest von Abendwind darin, der die Düfte der Sommerblüten des vergangenen Tages noch in sich trägt. Man hätte die große Aufgabe, Schlafende in sich zu bergen, die eng umschlungen nach einer Liebesnacht auch noch im Traume einander zulächeln oder ein Kind, dessen ängstliche Bitte, nicht von Schrankmonstern gefressen zu werden, wir halten müssten bis es endlich einschläft – erschöpft von so viel Furcht. Vielleicht müssten wir auch viel von unserem Dunkel zwischen Zwei schieben – ein ganzes Universum voll – um ihnen genügend Raum zu geben?
Nein, heute, an diesem Tag, wähle ich, ein Abschied zu sein, ein Weggehen, ein Tod und damit ein Alles und ein Nichts zugleich.
Ich komme – abseits – wie es sich gehört – und jenseits der Eitelkeiten – sie gehen mit mir. Ich hole alles Leben aus dem wildesten Tanz heraus und werfe mich ab ins Nichts der Seele – ohne Wände und ohne Grenze und falle ins Bodenlose. Ich bin des Schlafes großer Bruder und vermag, was sonst nichts und niemand vermag: Ich bringe die Wende und die Heimkehr und ich bringe sie mitten ins Leben. Nichts ist mehr zu Halten geblieben und ich erlöse alles Wünschen, jedes Begehren, Suchen, Streben, Sehnen und Wandern. Es wird ruhig.
Alle Lasten lüften sich und wandeln sich in Leichtigkeit. Ich hinterlasse keine Angst. Alles, was dich an die Wege der Masse band und dich hinderte, du selbst zu sein, gebe ich frei und schenke dir ein großes Loslassen, dass du nicht länger gebunden bist an ihre Fesseln und du ihren Beifall nicht mehr brauchst.
Ich zeige dir, dass auch ich Liebe bin, die Liebe zu allem SEIN, dass du mich – wie auch den Schmerz – nur in deiner Unkenntnis gefürchtet hast, dass ich – wie auch die Geburt – zum selben Ding gehöre, welches du Leben nennst. Ohne eines von Ihnen, kannst du nicht sein, denn alles ist Eins.
Ich bewege dich, so dass du deine Trauer aufgeben kannst, nicht der Mensch gewesen zu sein, als den du dich gern gesehen hättest und dass du so oft deinen eigenen Ansprüchen an dich selbst gerecht nicht wurdest. All dies streife ich von dir ab wie eine alte Haut, damit du neu werden kannst und der werden, als der du schon immer gemeint warst.
Und so wirst du zurück gegeben – gleichgültig – ob ich im Kleinen komme - in den Abschieden - oder im Großen, am Ende deines Lebens. Und du wirst zur Arbeit gehen, kochen und vielleicht der Liebsten das Haar kämmen, als Einer, der wiedergeboren wurde, weil er zu sterben verstand.

Freitag, 9. Dezember 2005

Erotik schreiben

Hallo ihr Lieben,

da wir gestern das Thema "Erotik schreiben" hatten, nehme ich es zum Anlass, hier mal meinen (meiner Ansicht nach gelungensten) Text aus diesem Genre reinzustellen.

Ich habe gestern noch lange darüber nachgedacht, ob das stimmt, dass man keine Erotik schreiben kann, wenn man sie wirklich tief empfindet. Ich verstehe den Ansatz hinter dieser Aussage sehr gut, denn es ist unser Empfindlichstes, Verletztbarstes... aber wir erfinden ja bei jeder anderen Form von Belletristik auch Storys aufgrund unserer Erfahrungen! Haben wir die auch nicht wirklich tief erlebt? Das will und kann ich irgendwie nicht glauben.

Ich weiß aus Erfahrung, dass es immer Dinge geben wird, über die ich nicht schreiben kann, weil sie sich außerhalb aller Worte bewegen - oder auf einer Ebene, die man nicht mehr mit Worten beschreiben kann und ein paar Dinge davon gehören auch sicher in diese erotische Ecke.

Und ich denke - vielleicht ganz unabhängig von der Erotikschreiberei: Ich bin nicht sicher, ob man sich wirklich gut kennt, wenn man seine eigenen Tabus nicht wenigstens einmal gebrochen hat, wenn man sich nicht wenigstens einmal aus diesem Grund blamiert hat und es geschmerzt hat, wenn man nicht einmal gewagt hat, über sich und seine angst hinaus zu wachsen. Ich bin mir wirklich nicht sicher....

Ich finde die Diskussion im Übrigen sehr interessant! Hier ist die Geschichte.

Du darfst auch singen

Die Wahrheit tut weh, sagst du, und drückst deine Zigarette aus. Das nächste Stück der Orange wandert in meinen Mund. Ich lecke mir den Saft von den Fingern und beschließe, dass ich dich nicht höre. Heute nicht. Ich sage dir auch nicht, dass Hoffnung ebenso weh tut. Heute will ich, dass du siehst, mit wie viel Hingabe ich esse. Ich mache es nur für dich. Es ist mein Weihnachtsgeschenk. Der Saft läuft an meinem Kinn herab, tropft mir in den Schoß und bildet ein klebriges Rinnsal auf meinen Schenkeln. Aber du willst mich nicht anschauen. Du willst gehen. Sonst nichts.
Entschlossen erhebst du dich und stößt dabei an den Tisch. Eine Nuss rollt auf dem Teller. Meine Brüste schlagen schwer zurück gegen meinen Bauch, als ich mich vorbeuge, um ihrem Hin und Her ein Ende zu machen. Kannst du mich jetzt ansehen? Jetzt, wo ich dir Grund gebe, Belangloses zu sehen?
Schau dich doch an, sagt dein Blick und ich sehe die Flecken auf dem Tisch, auf dem Teppich und auf mir. Sagtest du gerade Wahrheit tut weh?
Komm, setz dich wieder. Weißt du denn nicht, was ich will? Eine Höhle will ich für dich sein. Eine Höhle ohne Denken am Anfang von allem. Schwarz, dunkel und warm, in der es alles gibt, außer Spiegel. Das wird hart für dich werden, Baby, und du weißt es. Dein Schweiß stinkt nach Angst. Die Schatten werden dich jagen bis du ein Mutiger wirst oder stirbst. Komm, du darfst auch singen, wenn du dich fürchtest.
Schweigend lege ich meine klebenden Handflächen aneinander und sehe dich an. Du beginnst leise zu summen und ich bin sicher, du weißt nicht, weshalb. Eben wolltest du mich noch verlassen, aber jetzt ist es zu spät, nicht wahr? Ich will dich und deshalb lasse ich dich nicht raus und wenn du verreckst.
Ich habe fast Mitleid mit dir, wie du da sitzt. Die Hände in die Sessellehne gekrallt, mit weißen Nägeln und blutleeren Lippen. Deine Augen stehen an der Tür. Sehen sie schon das gelobte Land? Komm, ich zünde dir eine Laterne an, damit du dich nicht verirrst. Es ist besser, du gehst nackt.
Du leckst dir die Lippen und deine Augen sind so trocken, dass sich die Lider schwer an den Augäpfeln reiben. Ich kann es fast hören. Es klingt wie das Geräusch von Fell, wenn eine Hand es streichelt.
Ja Baby, so fühlt man sich, wenn man stirbt. Es ist wie Fallen. Das Zappeln dauert nicht lange, vertrau mir.
Der Wind heult und wirft den Schnee hart gegen das Fenster. Er fliegt fast waagerecht und verdunkelt lautlos das Zimmer. Komm, falle mit mir. Gib mir dein Gesicht, das so unbarmherzig spiegelt. Ich weiß, wer ich bin, aber wohin gehst du, wenn du gehst?
Nackt setze ich mich in deinen Schoß und schiebe dir eine Rosine in den Mund. Ja, behalte den Finger, er gehört dir, so wie ich. Langsam schiebe ich deinen Pullover hoch und mache deinen Bauch klebrig mit der Hand, die du nicht brauchst. Ich will von dir essen.
Eine Hand voll Rosinen hole ich mir und lege eine Spur vom Bauchnabel bis hinunter in deine Scham. Die letzte versenke ich zwischen den rosigen Lippen gleich unter deiner Knospe. Meine rauhe Zunge gleitet feucht von Traube zu Traube. Ich esse dich und wische alles Unechte fort. Dann brauchst du kein Lied mehr für deine Angst. Ich schenke dir eine heilige Nacht, die nach schwerer Erde und reifen Äpfeln duftet und diese letzte, beste Frucht.
Die Wahrheit tut nur einmal weh, Geliebte, so wie deine Verachtung für meine Gier. Es ist nur ein Schritt über die Schwelle der Kontrolle. Einer, der dich fortbringt aus deiner zivilisierten Hülle und dich eins werden lässt mit allem.
Du legst deine Schenkel über die Sessellehnen. Mit schmatzendem Geräusch öffnet sich langsam die Blüte deiner Vulva und bittet mich, von ihrem Tau zu kosten, der mir glitzernd entgegen rinnt. Aber du bist noch kein Jäger. Noch bist du Mensch.
Meine Zunge fliegt nur flüchtig über deine geschwollenen Lippen und lockt dich hinüber zu mir ans andere Ufer. Komm doch. Verliere deine Fassung und verlasse den winzigen Raum, der fast so alt ist wie du. Hier bist du frei und deine Scham wird dich niemals finden.
Krachend öffnet der Sturm ein Fenster im Nebenzimmer. Mit lautem Heulen rüttelt er an Möbeln und Türen, die heiser in ihren Angeln knarren. Weiße Wolken stäuben herein und legen sich leise nieder. Sieh, der Schnee macht es dir vor und auch der Wind.
Doch deine Fesseln halten dich schon nicht mehr. Geschmeidig wie eine Katze gleitest du vom Sessel und umkreist mich auf allen Vieren. Deine Augen sehen Beute. Meine Brustwarzen härten sich unter deinem Blick. Ja, jetzt bist du so weit.
Rühr dich nicht, flüsterst du und ich verspreche, nichts zu bewegen, was nicht von selbst zu dir fließt. Ich erwarte dich auf dem Fußboden. Ein Prickeln auf meiner Haut verrät mir, dass du von hinten näher und näher schleichst. Lautlos hast du deine Kleider abgestreift. Der Sturm schluckt jedes Geräusch.
Wir sind nur noch ein Wesen. Jetzt berühre mich, wenn du willst. Doch jetzt brauchst du es nicht mehr, nicht wahr? Trotzdem, komm nur, Geliebte, komm sing...
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